Pille Palle schrieb:
Auch eine Form des Glaubens
Mag schon sein. Aber wir schweifen vom eigentlichen Thema ab.
Es geht eigentlich um Kritik am psychiatrisch normativen System und der Art, wie die Ärzte uns Schizophrenen begegnen.
I.: Hypothese:
Ich denke, dass wir schizophrenen und unsere "Erkrankung" eine ganz bestimmte Rolle spielen in der Gesellschaft und der gesamten Biosphäre. Wenn man die Gesamtheit der Biosphäre als einen einzigen Super-Organismus betrachtet, so könnten wir so etwas wie die Botenstoffe für eine Entzündung in krankem Gewebe sein. Schizophrene fassen sich häufig als "Fehler im System" oder "Opfer des Systems" auf. Die Ärzte sprechen von einer "endogenen" Psychose, also einer Psychose, die von innen kommt. Doch ich vermute mal, dass ein jeder Schizophrener eigentlich weiß, dass seine Psychose nicht einfach von innen kommt, sondern systemisch-gesellschaftliche Ursachen hat und primär durch psycho-soziale und sozio-kulturelle wie sozio-ökonomische Umwelteinflüsse geprägt ist. Die Einflussfaktoren sind nur so dermaßen zahlreich, dass der erkrankte sie nicht genau benennen kann oder ihren jeweiligen relativen Einfluss auf das Krankheitsbild einzuschätzen weiß. Die Wahninhalte sind entweder von Paranoia und Vergiftungswahn geprägt, also dass das bestehende System einen schadhaften Einfluss auf den erkrankten ausübt oder eben "megaloman" wie meine eigene Psychose. Man will die Krankheit des Systems überwinden, indem man ein neues etabliert und festgefahrene gesellschaftliche Strukturen umwälzt.
Dass das globale System und unsere Gesellschaft krankhafter Natur sind, das ist gerade nur zu deutlich erkennbar. Wir schlittern auf die drohende Apokalypse zu. Arten sterben wie zuletzt zum Ende der Zeitalter der Dinosaurier und der anthropogene Klimawandel schreitet unaufhaltsam voran. Psychische Erkrankungen werden in der gesamten Bevölkerung zum Trend und die metaphysischen Ressourcen der Gesellschaft wie Einfluss oder Wissen sind extrem unausgewogen verteilt zwischen den Teilen der Bevölkerung. Wer ist also "krank"? Wir oder das System oder beide in inter-kausalem Verhältnis? Dass wir nicht einfach "geheilt" sind, wenn man uns Psychopharmaka in den Rachen stopft, das ist doch wohl klar. Es muss sich erst einmal die Gesellschaft verändern, damit wir als Individuen, die die Symptome der Gesellschaft tragen, heilen können.
II.: Kritikpunkt I - Der "Kraepelin'sche Dogmatismus
Seit Emil Kraepelin und Eugen Bleuler die Symptomgruppen der "Dementia Praecox" oder der "Schizophrenie" zusammenfassten und ihre Behandlung begründeten, hat sich in unserer Gesellschaft viel getan. Politik ist anders; Kultur ist anders; die informationelle Revolution fand statt und wir bekamen das Internet. Doch seit die beiden anderen Ärzten davon abrieten, das Phänomen "Wahn" näher zu betrachten und zu erforschen, hat das auch niemand mehr getan. Wir werden mit Pillen behandelt, die in die dopaminergen Systeme unseres ZNS eingreifen, wodurch Wahn und Halluzinationen nachlassen. Danach werden wir für gewöhnlich obdachlos oder landen in sozialpsychiatrischen Wohneinrichtungen und auf dem "2. Arbeitsmarkt" in Behindertenwerkstätten. Eine konsequente Vermittlung in kompetente psychotherapeutische Hände findet in den Psychiatrien einfach nicht statt. Dabei beweisen neuere Studien, dass geeignete Psychotherapie ohne Medikation mindestens genauso wirksam ist wie rein medikamentöse Behandlung. Hier scheint sich das System zu sträuben, eine von ihm abhängige Profit-Quelle aufzugeben, denn die Pharma-Konzerne verdienen ja an unserem Leid und die Ärzte wie Professoren stehen auf den Gehaltslisten eben jener Hersteller von Medikamenten.
III.: Kritikpunkt II - Die "Dopamin-Hypothese"
Als "Ursache" der Erkrankung wird ein dopaminerger Transmitter-Überschuss in verschiedenen funktionellen Arealen des Cortex (Großhirnrinde) betrachtet. Die Ursachen dafür wiederum sollen in unserem Neuro-Genom liegen. Die Genom-Abschnitte und einzelnen Gen-Varianten mit Link zur Schizophrenie sind mittlerweile auf über 100 gezählt. Auf den ersten Blick ergibt das noch Sinn. Symptome folgen aus dem Dopamin-Überschuss. Doch ist die Psychiatrie etwas anderes als beispielsweise die Kardiologie etc.. Sie betrachtet die Krankheit nicht bloß aus dem einen Paradigma, dem organisch-biologischen, sondern auch aus dem psychologisch-geistlichen Aspekt. Das Ursache des Symptoms Wahn/Halluzinationen sind somit nicht die dopaminergen Entgleisungen der jeweiligen Nervenverbindungen. Nein, es handelt sich bloß um zwei Seiten der Medaille ein und des selben Symptoms, einmal aus dem neurobiologischen auf molekularbiologischer Ebene und einmal aus der Psychologie. Sind so viele Mediziner und Psychiater einfach nur dämlich oder sind sie vom System korrumpiert, an dem sie reich werden?