Das ist vielleicht viel zu persönlich und bitte antworte einfach nicht drauf, wenn dem so ist: was bringt einen dazu, die Medikamente zu nehmen? Denn er hat ja welche. Theoretisch.
Ist es nicht. Meine letzte Psychose war einfach so schlimm, begleitet von Depressionen aus der Hölle. Wirklich, ich dachte ich sei ein armer Teufel. Was mich dazu bringt, die Medikamente weiter zu nehmen ist erstens, dass ich nie mehr solche Bewusstseinszustände haben will. Die sind so schlimm, dass man nur noch sterben möchte. Und zweitens geht es mir mit den Medikamenten gar nicht so schlecht. Unterschwellig bin ich leicht depressiv, aber ohne Medikamente wäre ich wie gesagt so daneben, dass ich mich innerhalb kürzester Zeit wieder umbringen würde.
Und nun zum Gegenteil: was hat mich dazu gebracht, die Medikamente damals abzusetzen? Ganz einfach: mir ging es in der Psychose nicht schlecht, ich hatte halt "Wahnvorstellungen" (in Anführungszeichen, weil jeder Wahn auch immer ein Korn Wahrheit enthält). Die Medizin hat mir Negativ-Symptomatik beschert, ich dachte damals, dass ich ohne Medikamente vielleicht wieder wahnhaft werde, aber das hätte mir nichts ausgemacht.
Ich bin kein "Buddha" und weiß auch nicht, wie sich der Wahn deines Angehörigen äußert, aber letztlich stecken da auch nur Emotionen und Projektionen dahinter.
Ich dachte z.B. bei meiner ersten Psychose, dass wir wieder im dritten Reich leben. Dass mich die Polizei holt, weil ich nicht arbeitete und mich in ein KZ stecken will. Auch manchmal, dass ich abgehört werde.
Aber ist das so unwahrscheinlich? Diese Geschichte hat sich schon mal abgespielt, warum soll sie sich nicht wiederholen? Als Technik-Freak wusste ich, was man mit Computern alles machen kann, außerdem gab es ja PRISM, das Überwachungsprogramm (wer erinnert sich noch dran?)
Ich hatte schon Zeit meines Lebens mit solchen Gedanken zu kämpfen, dass wir sehr Gläsern sind. Mein Weltbild war sehr negativ, ich dachte, dass es in unserer Welt nur um Macht geht (das habe ich von einem Philosophen "gelernt").
Und wenn man sich mal so umschaut: Liebe erfährt man in dieser Gesellschaft nicht sehr oft.
Irgendwann ist mir wohl all das zu Kopf gestiegen, ich projezierte überall Gefahr hinein, wollte nur noch aus dem System aussteigen, in dem man eigentlich nur eine Zahl, ein Arbeiter ist.
Ich, für mich, kann im Nachhinein meine Wahnvorstellungen nachvollziehen. Es sind Projektionen meiner Urängste, die genährt wurden, durch das, was ich an Informationen konsumiert habe. Irgendwann dreht man halt durch und der differenzierende Geist geht verloren.
Nur mal so als Beispiel: man hört von Messerattacken in der Bahn. Woher soll ich wissen, dass es mich nicht als nächsten erwischt? Ein gesunder Geist erfährt bei solchen Dingen keine Angst - und wenn, dann weiß er, dass das nur 0.0001 Prozent wahrscheinlich ist. Bei uns Psychotikern fehlt so eine Einsicht, wir agieren rein emotional. Wir nehmen Informationen auf und ziehen wild Schlüsse daraus - wir können das nicht hinterfragen.
Und nun noch ein persönliches Beispiel: die CDU will ein Register für psychisch kranke erstellen. Das macht mir zur Zeit echt Sorgen. Warum? So fortgeschritten wie wir technisch auch sind, schließt es für mich nicht aus, was früher einmal gewesen ist. Man muss wohl erstmal ernsthaft über die Vergangenheit nachdenken und begreifen, dass Geschichte nicht nur "eine Geschichte" (a la es war einmal) ist, sondern, dass das alles schon einmal real war. Die Regierenden fühlen sich nie im Unrecht, niemals, das steht im Widerspricht zu ihrer "Funktion". Wer garantiert mir denn, dass ich - als Ballastexistenz in einer staatlich finanzierten Behindertenwerkstatt - nicht wirklich bald abgeholt werde? Selbst Leute wie
@Orangejuice finden es ja toll, dass die AfD für ein gerechteres Deutschland sorgen wird, indem das Bürgergeld gekürzt oder ganz gestrichen wird. Wer sagt uns denn, dass die Gesunden es irgendwann nicht als Unrecht ansehen, uns Kranken weiter durchzufüttern? Ist doch viel günstiger, Psychiatrien und alles drumherum zu schließen - kostet schließlich nur Geld. Und - sind wir doch ganz ehrlich - so ein Kranker wird doch auch von niemandem vermisst...