Moin,
es ist ein zweischneidiges Schwert. Mit Tabletten ist in mir nichts, die absolute Leere. Gefühle hab ich keine mehr und Ideen sind sehr selten. Das einzige was noch funktioniert ist logisches Denken. Ich tue etwas, weil ich weiss, dass ich es tun muss. Ich bin jetzt zwar nicht in einem depressiven Loch, so könnte es sich anhören, es ist mehr als hätte der Zustand keine Würze, keinen Geschmack. Die letzten 4 Jahre habe ich ohne Medikamente "gelebt" und so kenne ich den Unterschied. Da herrscht bei mir absolutes Chaos. Die Gedanken rasen und ich komme nicht zum Stillstand. Ich war viel in Europa unterwegs, teilweise obdachlos, hab durch die Straßen von Innenstädte gebrüllt, wie ein wahnsinniger Obdachloser, es war eine Zeit ohne jede Kontrolle. Nachdem ich alles verloren hatte, hab ich mich irgendwann, nach einer extremen Akutphase, dazu entschlossen wieder Medikamente zu nehmen. Und wie in dem Film Prozac Nation, wo der Obdachlose die weggeworfenen Psychopharmaka konsumiert und langsam zu einem "normalen" Menschen wird, hat sich bei mir wieder alles ins Normale geregelt.
Nach all den Jahren mit Schizophrenie (15 Jahre) kann ich sagen, dass der Zustand mit Medikamenten zwar der freudlosere ist, aber im Endeffekt der bessere. Es geht auch darum die geringst mögliche Dosis zu finden, mit welcher der Kopf nicht rast und es gleichsam aber auch nicht zu still da oben ist. Wenigstens Ideen und Antriebe sollten sich aus dem Kopf ziehen lassen, um seinen Tag zu gestalten. Mit Gefühlen wird es schon schwieriger, die sind weitesgehend einfach weg, sobald man Neuroleptika einnimmt, aber es kann auch mit der Diagnose an sich zusammenhängen. Schizophrene erkennen oft Gefühle des gegenübers schwerer, weil sie selbst nicht sehr expressive Gefühlszustände haben.
Und die Hoffnung kommt zum Schluss. Solange es einem objektiv betrachtet gut geht, man genug zu essen, trinken, wohnen hat, im besten Fall noch Freunde und eine Arbeit, dann geht es ja irgendwie weiter und es gibt, das ist meine Meinung, wesentlich schlimmere Schicksale als Schizophrenie und Neuroleptikaeinnahme. Mir ist bewusst, dass das eigene Schicksal immer am schwersten wiegt... ich für meinen Teil habe mich damit arrangiert. Auch wenn das nur eine traurige Hoffnung ist.
Schönen Sonntag zusammen.