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Zweite Psychose

Maxim39

Member
Hallo zusammen,

ich habe eine Frage:
Wenn man nach der ersten Psychose Krankheitseinsicht hatte, regelmäßig seine Medikamente genommen hat, diese aber nach etwa einem Jahr abgesetzt hat, weil man dachte, die Psychose sei ein einmaliges Ereignis gewesen – und anschließend eine zweite Psychose erlebt, dabei jedoch während der akuten Phase keine Krankheitseinsicht zeigt – besteht dann nach der zweiten Therapie eine größere Wahrscheinlichkeit, die Erkrankung besser zu verstehen?

Insbesondere interessiert mich:
Ist es leichter einzusehen, dass es sich beim zweiten mal wieder um eine Psychose gehandelt hat, wenn man ja zuvor bei der ersten Episode bereits krankheitseinsichtig war?

Was sind eure Erfahrungen oder Einschätzungen dazu?
 
@Maxim39
An sich müsste die Krankheitseinsicht zunehmen. Problem sind die schlechten Therapieoptionen und vielen Nebenwirkungen, da man unter Antipsychotika auch verstärkt Negativsymptome hat, da kann es schwerfallen diese Therapien zu akzeptieren und das hängt dann auch mit der Krankheitseinsicht zusammen, wenn man sich ohne Tabletten gesünder als mit fühlt.

Ich kann die Medikamente-Empfehlung im Forum empfehlen mal zu testen, gerade wenn du schon etwas deine Symptome kennst, dann kann Aripiprazol als besser verträgliches Antipsychotikum helfen, da etwas zufriedener zu sein und die Intervalltherapie die mithilfe des Bupropions(SNDRI Antidepressivum) möglich wird, kann sehr viel ausmachen.
 
Also ich habe einige Psychosen hinter mir und ich kann auf jeden Fall sagen, dass mein Verständnis für die Phasen immer besser geworden ist. Auch meine Einstellung zur Schizophrenie hat sich geändert. Es ist denke ich anfangs sehr schwer diese abnormen Erlebnisse einzuordnen und zu akzeptieren. Noch schwieriger wird es, durch die Idee und das Stigma der "unheilbaren Krankheit". Es ist das eine ob man akzeptiert, dass man Psychotische Phasen hatte und vielleicht auch wieder hat und diesen Umstand akzeptiert oder ob man der Patologisierung und Wertung von Seiten der gemeinen Psychiatrie zustimmt der zu Folge ein Glückliches und selbstbestimmtes Leben kaum möglich ist. Man sollte im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Psychose vor allem bei zu schnellem und unkontrollierten Absetzen von Neuroleptika realistisch sein. Ich war's oft genug nicht und das hatte dann seine Folgen. Aber wir brauchen uns nicht einreden lassen dass man ein hoffnungslos verlorener Fall ist. Mein Tipp an dich ist, dich mit "Recovery" auseinanderzusetzen. Ich habe einige Erfahrungsberichte von Menschen mit Schizophrenie und deren Genesungsweg gelesen. Das macht Hoffnung, Mut und zeigt mögliche Wege auf. Alles Liebe, Ilihja
 
Lieber Ilihja,
vielen Dank für deinen positiven, ermutigenden Beitrag. Genauso sehe ich das in Bezug auf meinen Sohn. Das Stigma der "unheilbaren Krankheit" bürdet den Betroffenen zusätzliches Leiden auf. Diese Erkenntnis ist in der üblichen Psychiatrie und in der Gesellschaft leider noch nicht angekommen. Mich würden die Erfahrungsberichte von den Menschen und ihren Genesungswegen, die du erwähnst, interessieren. Wo könnte ich die nachlesen?
Liebe Grüße,
Nina
 
Hallo liebe Nina,
ein Buch das ich dir zu dem Thema empfehlen kann heißt "Die Hoffnung trägt, Psychisch erkrankte Menschen und ihre Recovery Geschichten" von Michael Schulz. Zur Zeit lese ich "Der Sinn meiner Psychose" von Hartwig Hansen. Das ist auch eine Sammlung von Erfahrungsberichten in der Menschen unter anderem davon berichten wie sie das in ihren Psychosen Erfahrene in ihr Leben und in ihre Weltsicht integrieren konnten. Das ist ein Punkt der für mich Persönlich im Hinblick auf Genesung auch unheimlich wichtig ist, denn auch in einer Psychotischen Krise stecken große Chancen zur weiterentwicklung. Man kann zwar versuchen diese Erfahrungen zu verdrängen und es alles auf das Ungleichgewicht im Hirn Stoffwechsel schieben, aber dadurch spaltet man unter Umständen viele essentielle Anteile seines Selbst von sich ab. Für mich hat sich herausgestellt, dass der Inhalt der Psychosen immer für meine Persönlichkeit relevante Themen waren. Es ist zwar nicht der schönste Weg auf diese Art und Weise damit konfrontiert zu werden, aber ich kann sagen, dass ich die mir damit gestellten Aufgaben angenommen und zu großen Teilen auch gelöst habe. Ich wünsche dir und deinem Sohn alles erdenklich Gute. Alles Liebe, Ilihja
 
Lieber Ilihja,
vielen Dank für deine Buch-Tipps. Ich habe auch noch einen: Recovery - Das Ende der Unheilbarkeit von den beiden Psychiaterinnen Michaela Amering und Margit Schmolke. Ich hatte es mir schon vor längerer Zeit bestellt, dann ein bisschen quer gelesen aber mir jetzt wieder vorgenommen. Es ist sehr interessant, wie ich finde, vielleicht kennst du es auch schon.
Die beiden Bücher, die du empfohlen hast, werde ich mir auf jeden Fall bestellen.

Bei meinem Sohn kommt hinzu, dass er Autist ist (Asperger) und ich weiß nicht, inwieweit er seinen Zustand reflektiert. Er ist momentan unbehandelt, nicht krankheitseinsichtig und verlässt seit ca. einem Jahr seine Wohnung nicht mehr. Vor etwa neun Jahren hatte er schon mal eine Psychose mit Stimmenhören, bekam dann Risperidon, die Stimmen verschwanden und das Medikament wurde langsam reduziert bis auf eine sehr geringe Dosis. Seine autistischen Symptome gingen sehr zurück und es lief gut mit zum Schluss erst 0,5 und dann 0,25 mg Risperdal, also sehr wenig. Aber dann wollte er es gar nicht mehr nehmen, er meinte, es täte ihm nicht gut. Es wurde ganz ausgeschlichen und im Verlauf von ca. 2 bis 3 Monaten wurden erst seine autistischen Symptome wieder viel stärker und dann kamen psychotische hinzu. Da er kein Medikament mehr nehmen wollte, haben wir es mit einem homöoptischen Mittel versucht, das uns seine Psychiaterin gab, die auch Homöopathin ist. Es hat geholfen, aber es reicht wohl nicht allein. Trotzdem weigere ich mich, an eine Unheilbarkeit zu glauben. Nachdem, was ich inzwischen an Studien etc. gelesen habe, ist es oft erst die Maschinerie der Psychiatrie und der Umgang mit der Medikation durch Psychiater und Kliniken, die bei den Betroffenen zur Chronifizierung führt oder zumindest beiträgt. Es gibt auch noch ein You-Tube-Video (auf Englisch): Surviving Schizophrenia, in dem Betroffene zu Wort kommen, die teilweise lange Zeit in psychiatrischen Kliniken verbracht haben und inzwischen voll arbeitsfähig sind und eine hohe Lebensqualität haben.
Auch dir alles erdenklich Gute,
liebe Grüße Nina
 
Hallo Nina,

Es klingt nach einer großen Herausforderung mit jemanden der trotz akuter Psychose keine Behandlung annehmen möchte umzugehen.

Ich kann mir vorstellen, dass das gerade für Angehörige oft sehr zermürbend und anstrengend ist und ich habe größten Respekt vor Menschen die Psychotiker begleiten.

Du erweist deinem Sohn damit einen großen Dienst.

Für mich war es in psychotischen Zeiten immer wichtig jemanden zu haben dem ich vertrauen kann. Jemanden den ich nicht als Feind sehe.

Ich weiß nicht wie das bei euch ist, aber in meinem Fall war das aufgrund der Vorgeschichte mit Familie teils schwierig. Wobei ich es im Falle meiner Mutter, von der ich wusste, dass sie mich sehr liebt öfter annehmen konnte wenn sie gesagt hat. "Ilihja, jetzt ist es Zeit dass wir was machen und in die Klinik gehen" Bei mir war der Leidensdruck dann oft so groß, dass ich eingewilligt habe und mir ist dann fast immer die Last des " Dagegen ankämpfens" von den Schultern gefallen. Unheimlich wichtig war dabei, dass ich nicht das Gefühl hatte "in die Klinik gesteckt" zu werden, sondern dass ich das gemeinsam, mit jemanden der auf meiner Seite war entschieden habe.

Ich weiß leider nicht inwiefern sich die Autismus Diagnose auf das ganze auswirkt. Ich hoffe ihr findet eine Möglichkeit, dass dein Sohn wieder Hilfe annimmt.

Wichtig ist denk ich auch, dass es verschiedene A-Typische Neuroleptika gibt wovon Risperidon nur eines ist. Ich persönlich habe Risperidon gar nicht gut vertragen und verstehe, wenn dein Sohn sagt, dass er das nicht mehr nehmen möchte. Ein Medikament gänzlich ohne Nebenwirkungen ist wohl schwer zu finden und die Nebenwirkungen sind auch von Person zu Person verschieden aber ich denke, dass es da mit Sicherheit welche gibt, die ihn nur in einem annehmbaren Maß beeinträchtigen. Im Endeffekt betreffen ihn aber die Nebenwirkungen am meisten, deshalb ist Selbstbestimmung da sehr wichtig.

Danke für den Tipp mit dem YouTube Channel. Ich werde mir das gleich mal anschauen.

Es gibt übrigens auch ein Buch mithilfe dessen man seinen persönlichen Recovery Plan erstellen kann. Ich weiß den Titel gerade nicht. Hab ihn mir bei dem Selbsthilfe Verein ausgeliehen bei dem ich bin. Wenn ich das nächste Mal dort bin schau ich nach, wie der heißt.

Alles Liebe weiterhin, Ilihja

Mir ist bewusst, dass das leider nicht immer möglich ist
 
Ja man versteht dann das es eine Psychose ist hatte auch 2 Stück hab bei der 2ten direkt gemerkt das es eine Psychose ist
 
Hallo Ilihja,

ja es ist eine große Herausforderung! Erschwerend kommt hinzu, dass mein Sohn zu Beginn seiner Psychose den persönlichen Kontakt zu mir komplett abgebrochen hat. Er hat nur noch persönlichen Kontakt zu meinem Lebensgefährten, dem er vertraut und der ihn so gut es geht versorgt (mit Lebensmitteln etc.), weil er seit fast einem Jahr seine Wohnung nicht mehr verlässt.(Mein Sohn wohnt im selben Mehrfamilienhaus wie wir in der Dachwohnung). Er ist leider früher in religiöse Kreise (christliche und hinduistische) geraten oder hat sie sich ausgesucht, die fundamentalistische Ideen verbreiten.
Da ich nicht diesen strengen Vorgaben und Regeln entspreche, will er nichts mit mir zu tun haben aber auch weil er sich von mir seiner Selbstbestimmungsrechte beraubt fühlte. Er hat mir viele Mails mit Vorwürfen geschrieben, von denen ich einige nachvollziehen konnte andere aber dann völlig absurd waren und deutlich darauf hingewiesen haben, dass er sich in einem heftigen Wahn befindet.
Der Autismus macht alles noch komplizierter, da er dadurch noch weniger erreichbar ist.
Mein Lebensgefährte hatte ihm vorgeschlagen, mit ihm zu seiner Psychiaterin zu fahren (die ihn vor Jahren bei der ersten Psychose sehr gut behandelt hatte), und mit ihr zumindest mal zu sprechen, aber er hat leider abgelehnt.

Es ist alles sehr anstrengend seit ungefähr zwei Jahren. Es gibt auch Ärger hier im Mietshaus, weil der Mieter unter ihm ihn für komplett verrückt hält und sich ständig beim Vermieter über ihn beschwert und ihn aus dem Haus drängen will.
In letzter Zeit nehme ich aber gewisse Anzeichen für eine Verbesserung seines Zustandes wahr (mein Lebensgefährte berichtet mir immer, wie er ihn erlebt, wenn er ihm Sachen in seine Wohnung gebracht hat.)

Auf dem Rückumschlag des Buches "Recovery - das Ende der Unheilbarkeit" steht unter anderem der Satz: "Allen Genesenden gemeinsam ist die Erfahrung, dass sie die Hoffnung auf Besserung nie aufgegeben haben. Ihre Botschaft: Hoffnung macht Sinn". Und: "Es ist die wichtigste Aufgabe aller psychiatrisch Tätiger überhaupt, die Hoffnung auf Besserung und Genesung zu erhalten und die psychischen Widerstandskräfte zu stärken".

In diesem Sinne alles Liebe,
Nina
 
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