Hallo ihr Lieben,
ich hatte vor 5 Jahren mit 30 die erste und bislang letzte Psychose. Und ich kenne was ihr beschreibt nur zu gut. Das Gefühl danach, diese Leere, man kann es Menschen die es nicht erlebt haben kaum mit Worten beschreiben, dieses was in der Fachsprache "Negativsymptome" genannt wird, oder die Nebenwirkungen der Medikamente, oder beides. Das kann man ja nicht wirklich sagen. Es ist mit einer Depression nicht gleichzusetzen, ein ganz einmaliger Zustand war das bei mir nach meiner Psychose, darum habe ich mich im ersten und auch noch zweiten Jahr nach der Psychose so viel in Psychose-Foren aufgehalten und mitgelesen. Mein Bedürfnis war so stark mich mit Menschen auszutauschen, die durch die gleiche Hölle gegangen sind und gehen und die nachvollziehen können wie es mir geht. Bei anderen Menschen habe ich mich unverstanden gefühlt.
Ich habe mich nach meiner Psychose auch stark verändert. Ich war ruhiger, unsicherer, ängstlicher, langsamer, interessenärmer, aber auch bodenständiger und realistischer. Ich konnte nicht mehr lachen. Ich habe Videos angeschaut, die mir vorher Tränen vor Lachen in die Augen trieben und konnte überhaupt nicht mehr nachvollziehen, wie ich das mal lustig finden konnte. Es war echt verrückt, ich hatte dann plötzlich auch ganz andere, pragmatischere Berufsvorstellungen als vorher und ich war resignierter. Ich hab vom Leben nicht mehr viel erwartet, so könnte man es beschreiben. Ich habe auch immer gedacht "die Alte" werden zu wollen, so gravierend war der Unterschied zwischen vorher zu nachher. Ich habe mich nicht mehr wie ich selbst gefühlt.
Ich schreibe hier jetzt vor allem, um allen Menschen Mut zuzusprechen, die das gerade durchmachen. Denn heute 5 Jahre später bin ich längst "die Alte" und noch viel viel besser als "die Alte". Es braucht ein bisschen Zeit und die Heilung verläuft nicht linear, aber es gibt verdammt guten Grund zur Hoffnung, dass es wieder wird wie früher, mit all euren Emotionen und Interessen und der Lebendigkeit. Und das Beste: sogar noch besser!
Denn mittlerweile, und damals hätte ich so etwas nicht mal zu denken gewagt, bin ich ein Stück weit dankbar für die Erfahrung. Ich habe mein Leben danach radikal Richtung Gesundheit umgestellt. Gehe viel vorsichtiger und achtsamer mit mir selbst und meinem Leben um. Ich habe einen guten Blick für meine Grenzen entwickelt und eine gute Beziehung zu mir selbst erarbeitet. Wichtig in meinem Verlauf war, dass ich mir wirklich Zeit für die Genesung gelassen habe, also nur schrittchenweise die Anforderungen gesteigert. Ich mache bis heute therapeutisch sehr viel und bilde mich auch stängig im Bereich Recovery fort (arbeite selbst als Sozialpädagogin). Diese Motivation gesund zu leben, die hätte ohne Erkrankung nie so groß sein können. So prüfe ich strenger, was mir gut tut und meine Ausrichtung ist klarer. Der Haken ist, ich habe in Krisenzeiten schon Angst erneut zu erkranken, das Gute daran, diese Angst zwingt mich dazu dann kürzer zu treten und gut für mich zu sorgen. Das sehe ich heute ein Stück weit als Privileg. Auch hat mich die Erfahrung allgemein tiefer und wesentlich toleranter gemacht. Meine alte Persönlichkeit kam voll und ganz wieder zurück und hat sich noch weiterentwickelt, dass ich sage, ich will garnicht mehr "die Alte" sein, die vor der Psychose. Ich bin jetzt noch viel mehr ich selbst.
Ich wünsche allen, die gerade im Genesungsprozess sind, viel Kraft, Liebe und Geduld. Es wird besser! Passt auf euch auf.