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ANTIPSYCHOTIKA (1): Was machen Antipsychotika mit dem Gehirn?
Wirkung und Nebenwirkungen von Antipsychotika.
(A) Wirkung von Antipsychotika:
Die nun fogenden Erklärungen zur Wirkungsweise von Antipsychotika stammen aus einem Artikel von Dr. Aderhold und Dr. Weinmann. Beide haben an den S 3 Richtlinien für Schizophrenie mitgearbeitet und Zusatzinformationen dazu bereit gestellt.
Quelle:
Zusatzinformationen zur S3-Leitlinie Schizophrenie
https://www.depression-heute.de
Von Dr. Aderhold und Dr. Weinmann
Zitat (gekürzt und medizinische Fachbegriffe vereinfacht):
"Neuere bildgebende Verfahren lieferten Daten, die bei Menschen mit psychotischen Symptomen einer Überaktivität des Dopaminsystems entsprechen, einer Struktur unterhalb des Großhirns. Dies entspricht dem Erklärungsmodell, dass „Schizophrenie“ mit einer Hyperaktivität der Übertragung von Dopamin an Rezeptoren verbunden ist. Darüber hinaus deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass diese dopaminerge Überaktivität episodischer (verübergehender) Natur ist, also nur während einer psychotischen Episode besteht und nur einige Aspekte der Positivsymptomatik ausmacht (Guillin et al 2007).
Zugleich sind diese Veränderungen nur mit Positiv-, jedoch kaum mit Negativ- und nicht mit kognitiven Symptomen verbunden.
Und es gibt auch eine Patientengruppe mit psychotischen Symptomen, bei der diese Überaktivität gering oder gar nicht nachweisbar ist (also gar nicht existiert). Im Rahmen dieser Logik können sie daher auch nur gering oder sogar gar nicht auf die Antipsychotika ansprechen (Howes et al 2012).
Da solche Veränderungen an den Rezeptoren nicht nur genetisch sondern in vielfältiger Weise epigenetisch, also durch Umweltfaktoren bedingt sind, die diese genetischen Faktoren erst krankheitsrelevant werden lassen, ist mittlerweile hinlänglich belegt. (Howes & Murray 2014)
Antipsychotika sind hingegen Substanzen, die den Dopaminrezeptor nur hinter der Synapse hemmen und damit diese Anormalität nicht gezielt rückgängig machen können, sondern nur auf die Folgen einwirken. Leider führen sie dadurch auch oft zu einer Zunahme (upregulation) dieser blockierten Dopaminrezeptoren, denn eine vermehrte Anzahl ist bei unbehandelten Patienten mit erster Episode nicht, jedoch häufig später nach Behandlungen mit Antipsychotika nachzuweisen.
Hinzu kommt eine dosisabhängige Super-Sensibilisierung der Dopamin-Rezeptoren als Anpassung an den Eingriff durch Antipsychotika. Tierexperimentell kommt es zu einer Verdreifachung ! der Dopaminrezeptoren nach Gabe von Antipsychotika. Dadurch entsteht an diesen Rezeptoren eine erhöhte Empfindlichkeit für Dopamin. Die sogenannte Reizoffenheit.
Nicht sicher ist, ob diese negativen Hirnveränderungen bei jedem Behandelten und bei jeder Substanz gleich auftreten. Auch ist nicht sicher, wie lange sie nach dem Absetzen noch anhalten. Man geht aufgrund tierexperimenteller Daten von mehr als einem Jahr beim Menschen aus (Murray et al 2016), bis hin zu mehreren Jahren und potentiell auch von Irreversibilität (Chouinard et al 2008).
Damit besteht beim Absetzen von Antipsychotika eine erhöhte Rezeptorverfügbarkeit, und diese Supersensitivität kann Absetzphänomene (Absetzpsychosen) und ein erhöhtes Rückfallrisiko bedingen (Howes et al 2012). Diese Phänomene sind in der Methodik der bisherigen Medikamentenstudien nur unzureichend berücksichtigt, so dass viele Studien zur Wirksamkeit von Antipsychotika verfälscht sind.
Des Weiteren konnte durch bildgebende Verfahren darauf hindeuten, dass ein Defizit von Dopamin an der Entstehung kognitiver Symptome von Patienten mit Schizophrenie beteiligt ist (Guillin et al 2007). Da Antipsychotika jedoch nicht nur auf die subkortikale Region einwirken, also nicht selektiv sind, können sie damit auch zu einer Verschlechterung von Negativ- und kognitiven Symptomen führen (Howes et al 2012).
Und weil Antipsychotika Fremdmoleküle sind, die auch noch ganz andere Rezeptorgruppen blockieren können, kommt es zu den weiteren bekannten Nebenwirkungen.
(B) Nebenwirkungen von Antipsychotika
1.) Krebseregend
9 von 10 Antipsychotika sind stark krebseregend. Wissenschaftler nahmen vorklinische Untersuchungen unter die Lupe, die einst für die Zulassung der betreffenden Psychopharmaka bei der U.S. Food and Drug Administration eingereicht wurden. Sie stellten dabei fest, dass
- 90 Prozent der Antipsychotika
- 70 Prozent der Benzodiazepine/Schlafmittel (z. B. Diazepam)
- mehr als 63 Prozent der Antidepressiva (z. B. Mirtazapin, Citalopram)
2.) Gehirnschädigungen
Der dauerhafte Einsatz von Neuroleptika kann Zell- und Substanzverluste im Gehirn verursachen. Diese Schrumpfungen haben direkte Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten. Es zeigten sich Verschlechterungen beim verbalen Lernen, bei Tests für die Aufmerksamkeit, bei der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses, sowie beim Problemlösungsverhalten.(5)
Eine deutschsprachigen Übersichtsarbeit.
3. Übergewicht
Die meisten AP führen zu Übergewicht (3).
4. Diabetes
Das Diabetesrisiko unter Antipsychotika ist stark erhöht. Diabetesinzidenz ist verdreifacht. (7)
5. Leber- und Nierenschäden
AP werden über die Leber und Nieren abgebaut, belasten diese und können zu Schäden führen. (8) (9).
6. Risikofaktor für die Herz-Gesundheit
Patienten mit Schizophrenie haben eine verkürzte Lebenserwartung von 15-25 Jahren. Herzkrankheiten ist die Haupt-Todesursache dieser Patienten und Antipsychotika sind ein damit verbundener Faktor, da sie im der Mehrheit übergewichtig machen (1). Antidepressiva und andere Psychopharmaka werden mit einem fast doppelt so hohen Risiko für einen vorzeitigen Tod bei Herzpatienten in Verbindung gebracht. (2)
7. Müdigkeit und Antriebsarmut
AP blockieren Dopaminrezeptoren was auch zur Verstärkung von Antriebsschwäche, negativen und kognitiven Symptomen führt.(3)(4)
Zu den allgemeinen nachteiligen Wirkungen gehören erhöhter Blutdruck, Fettstoffwechselstörung, Bewegungsstörungen, sexuelle Dysfunktion, malignes neuroleptisches Syndrom (Verwirrung, Nichtansprechbarkeit, Muskelstarre, hoher Körpertemperatur und anderen Symptome), Schwindel, Sedierung (geistiger Dämmerzustand) und Unruhe.
Bei Patienten mit Schizophrenie haben eine Mehrheit, also über 50% mindestens eine, ein Drittel sogar an zwei oder mehr chronischen körperlichen Folgeerkrankungen. Es handelt sich dabei vor allem um Krankheiten wie Diabetes und Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems.
Als Folge ergibt sich ein durchschnittliche Lebenszeitverkürzung zwischen 10 und 25 Jahren wobei insbesondere Herzerkrankungen und Krebserkrankungen eine wichtige Todesursache darstellen. Schizophrene Menschen haben verglichen mit der Allgemeinbevölkerung ein 2-3-fach erhöhtes Risiko zu versterben.
Quellen
(1) https://arznei-news.de/antipsychotika-herzerkrankungen/
(2) https://arznei-news.de/herzerk…ka-und-die-sterblichkeit/
(3) https://www.gesundheitsinformation.de/medikamente-bei-schizophrenie.html
(4) https://www.depression-heute.d…e-rolle-der-neuroleptika/
(5) https://www.depression-heute.de/neuroleptika-loesen-das-gehirn-auf/
(6) https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0004867415582231
(7) https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Diabetesrisiko-unter-Antipsychotika-stark-erhoeht-307653.html
(8) https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/leberfunktionsstoerungen-unter-psychopharmakotherapie
(12) https://www.infomed.ch/screen_template.php?articleid=2387
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Weitere Artikel zum Thema:
Wie gut helfen Antipsychotika wirklich? Messmethoden und Effektstärke von Antipsychotika
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