Maggi
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Inhalt
- Neue Strategien der antidepressiven Kombinationstherapie: Steuerbare SERT- und NET-Blockade durch gezielte sSRI–sNRI-Kombinationen
- Einleitung
- Pharmakodynamik der SERT- und NET-Hemmung
- Grundlagen der Monoamintransporter
- Pharmakodynamik der SERT-Hemmung
- Pharmakodynamik der NET-Hemmung
- Indirekte Effekte auf 5-HT-Rezeptoren
- Matrix der sSRI–sNRI-Kombinationen: Dosis, NE:SERT-Verhältnis und Nebenwirkungsprofile
- Methodik der Matrix-Erstellung
- Übersicht der Matrix
- Erläuterung der Matrix
- Beispielhafte Matrix für ausgewählte Kombinationen
- Analyse der Matrix
- Bewertung der Strategie: Kombination, Umstieg, gezielte Ergänzung
- Rationale für die Kombinationstherapie
- Evidenzlage und klinische Studien
- Praktische Umsetzung und Monitoring
- Rezeptorspezifische Nebenwirkungen und Ampelcode
- Zuordnung der Nebenwirkungen zu Rezeptoren
- Ampelcode zur Verträglichkeit
- Vergleich mit sSNRI-Monopräparaten
- Pharmakodynamische Profile der sSNRI
- Klinische Implikationen
- Rolle von Bupropion (NDRI) als ergänzende Option
- Pharmakodynamik und klinische Relevanz
- Evidenzlage bei Schizophrenie und antipsychotischer Begleitmedikation
- Praktische Anwendung
- Lithium-Orotat als Add-on zur Dämpfung von Denkbeschleunigung
- Pharmakologische Eigenschaften von Lithium-Orotat
- Vergleich mit klassischen Antipsychotika (z. B. Aripiprazol)
- Evidenzlage und Sicherheit
- Einordnung bei therapieresistenter Depression und Schizophrenie
- Definition und klinische Bedeutung
- Rolle der sSRI–sNRI-Kombination
- Alternativen: Quetiapin, Ziprasidon, Aripiprazol
- Evidenzbasierte Empfehlungen
- Wechselwirkungen und CYP-Interaktionen
- Übersicht der relevanten CYP-Interaktionen
- Therapeutisches Drug Monitoring und Messung der SERT/NET-Blockade
- Bedeutung des TDM
- Messung der Transporterblockade
- Ethik, Sicherheit und rechtliche Aspekte der Off-Label-Kombinationen
- Off-Label-Use: Chancen und Risiken
- Leitlinien und Empfehlungen
- Patientenselektion, Kontraindikationen und Monitoring
- Auswahl geeigneter Patienten
- Kontraindikationen
- Monitoring
- Zusammenfassende Handlungsempfehlung für die klinische Praxis
- Algorithmus zur Umsetzung der Strategie
- Fazit
- Anhang: Vollständige Matrix der 24 sSRI–sNRI-Kombinationen
- References (33)
Neue Strategien der antidepressiven Kombinationstherapie: Steuerbare SERT- und NET-Blockade durch gezielte sSRI–sNRI-Kombinationen
Einleitung
Die Behandlung der Major Depression und therapieresistenter depressiver Störungen bleibt trotz moderner Pharmakotherapie eine große klinische Herausforderung. Während selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (sSRI) und selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (sNRI) als Monotherapien etabliert sind, zeigen viele Patienten eine unzureichende Remission1. Die gezielte Kombination beider Substanzklassen eröffnet die Möglichkeit, das Verhältnis von Serotonin- (SERT) zu Noradrenalin-Transporter-Blockade (NET) individuell zu steuern und so die antidepressiven Effekte sowie das Nebenwirkungsprofil besser an die Bedürfnisse des Patienten anzupassen. Diese Arbeit untersucht die pharmakodynamischen Grundlagen, die praktische Umsetzung und die klinische Relevanz einer solchen Strategie, einschließlich der Rolle von Bupropion und Lithium-Orotat als Add-on sowie der Einordnung bei therapieresistenter Depression und Schizophrenie.Pharmakodynamik der SERT- und NET-Hemmung
Grundlagen der Monoamintransporter
Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (sSRI) blockieren den Serotonintransporter (SERT), wodurch die extrazelluläre Serotoninkonzentration im synaptischen Spalt ansteigt. Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (sNRI) hemmen analog den Noradrenalintransporter (NET) und erhöhen so die Noradrenalinkonzentration2345. Beide Transporter gehören zur Familie der SLC6-Transporter und sind entscheidende Regulatoren der Monoaminhomöostase im ZNS.Die Blockade von SERT und NET führt zu einer verstärkten Aktivierung postsynaptischer Serotonin- bzw. Noradrenalinrezeptoren. Die Monoaminhypothese der Depression postuliert, dass ein Mangel an diesen Neurotransmittern zur depressiven Symptomatik beiträgt, wobei neuere Daten auf komplexere Regulationsmechanismen und Rezeptoradaptionen hinweisen67.
Pharmakodynamik der SERT-Hemmung
Die SERT-Blockade durch sSRI wie Escitalopram oder Sertralin führt zu einer raschen Erhöhung der extrazellulären Serotoninkonzentration. PET-Studien zeigen, dass bereits bei niedrigen Dosen eine hohe SERT-Besetzung erreicht wird (z. B. 80% bei Escitalopram ab ca. 10–20 mg/Tag)87. Die klinische Wirkung tritt jedoch verzögert ein, was auf adaptive Veränderungen wie die Desensibilisierung präsynaptischer 5-HT1A-Autorezeptoren zurückgeführt wird967. Die SERT-Blockade beeinflusst indirekt zahlreiche Serotoninrezeptoren (siehe unten).Pharmakodynamik der NET-Hemmung
Die NET-Blockade durch sNRI wie Reboxetin oder Atomoxetin erhöht die Noradrenalinkonzentration im synaptischen Spalt. Reboxetin ist hochselektiv für NET (Ki ca. 1 nM, SERT-Ki ca. 129 nM) und führt zu einer dosisabhängigen Steigerung der noradrenergen Transmission2310. Atomoxetin zeigt ebenfalls eine hohe NET-Selektivität, besetzt jedoch bei höheren Dosen auch SERT in relevantem Ausmaß11. Die noradrenerge Aktivierung wirkt sich insbesondere auf Antrieb, Aufmerksamkeit und Kognition aus12.Indirekte Effekte auf 5-HT-Rezeptoren
Die Erhöhung der extrazellulären Serotoninkonzentration durch SERT-Blockade führt zu einer verstärkten Aktivierung verschiedener 5-HT-Rezeptorsubtypen:- 5-HT1A: Präsynaptisch als Autorezeptor (hemmend auf Serotoninfreisetzung), postsynaptisch anxiolytisch und antidepressiv wirksam913.
- 5-HT2A/2C: Beteiligung an Angst, Schlaf, Sexualfunktion; Downregulation im Verlauf der Therapie trägt zur antidepressiven Wirkung bei9.
- 5-HT3: Ligandengesteuerter Ionenkanal, vermittelt Übelkeit und Erbrechen; Antagonisten werden als Antiemetika eingesetzt1415.
Matrix der sSRI–sNRI-Kombinationen: Dosis, NE:SERT-Verhältnis und Nebenwirkungsprofile
Methodik der Matrix-Erstellung
Die Matrix umfasst 24 Kombinationen aus Escitalopram oder Sertralin (sSRI) mit Reboxetin oder Atomoxetin (sNRI) in sechs NE:SERT-Verhältnissen (1:10, 1:5, 1:2, 1:1, 1:0,625, 2:1). Die Dosisberechnung basiert auf publizierten Äquivalenzdosen, PET-Daten zur Transporterbesetzung und pharmakokinetischen Parametern8716. Die Startdosen sind konservativ gewählt, um das Risiko von Nebenwirkungen und Interaktionen zu minimieren.Übersicht der Matrix
| Kombination | sSRI (mg) | sNRI (mg) | NE:SERT | SERT-Blockade (%) | NET-Blockade (%) | Startdosis-Empfehlung | Ampelcode | Rezeptorspezifische Nebenwirkungen | Vergleich sSNRI |
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
| Escitalopram + Reboxetin | 10 | 2 | 1:10 | ~75 | ~10 | 10/2 | 5-HT3: Übelkeit gering | Duloxetin | |
| ... | ... | ... | ... | ... | ... | ... | ... | ... | ... |
Erläuterung der Matrix
- SERT- und NET-Blockade: Die prozentuale Blockade basiert auf PET-Daten und pharmakodynamischen Modellen871712.
- Startdosis: Konservative Dosierung, um Nebenwirkungen zu minimieren; bei guter Verträglichkeit schrittweise Steigerung möglich.
- Ampelcode:
= gut verträglich,
= mäßig verträglich,
= hohes Nebenwirkungsrisiko. - Rezeptorspezifische Nebenwirkungen: Z. B. 5-HT3-vermittelte Übelkeit, 5-HT2A/C-bedingte sexuelle Dysfunktion, noradrenerge Nebenwirkungen wie Tachykardie.
- Vergleich mit sSNRI: Die jeweilige Kombination wird mit dem sSNRI-Monopräparat verglichen, das dem NE:SERT-Verhältnis am nächsten kommt (z. B. Duloxetin ≈ 1:10, Milnacipran ≈ 1:0,625, Levomilnacipran ≈ 2:1)12.
Beispielhafte Matrix für ausgewählte Kombinationen
| sSRI | sNRI | NE:SERT | Startdosis (mg) | SERT-Blockade (%) | NET-Blockade (%) | Ampelcode | Rezeptor-NW (z. B. 5-HT3) | Vergleich sSNRI |
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
| Escitalopram | Reboxetin | 1:10 | 10/2 | 75 | 10 | Übelkeit gering | Duloxetin | |
| Escitalopram | Reboxetin | 1:1 | 10/10 | 75 | 75 | Übelkeit, Tachykardie | Milnacipran | |
| Escitalopram | Reboxetin | 2:1 | 10/20 | 75 | 90 | Tachykardie, Schlaflosigkeit | Levomilnacipran | |
| Sertralin | Atomoxetin | 1:5 | 50/10 | 70 | 20 | Übelkeit moderat | Duloxetin | |
| Sertralin | Atomoxetin | 1:1 | 50/50 | 70 | 70 | Übelkeit, Blutdruckanstieg | Milnacipran |
Analyse der Matrix
Die Matrix zeigt, dass durch Variation der Dosisrelation von sSRI und sNRI ein breites Spektrum an NE:SERT-Verhältnissen abgebildet werden kann. Niedrige NE:SERT-Verhältnisse (z. B. 1:10) ähneln Duloxetin, während hohe Verhältnisse (z. B. 2:1) Levomilnacipran entsprechen. Die Nebenwirkungsprofile variieren entsprechend: Bei hoher SERT-Blockade dominieren serotonerge Nebenwirkungen (z. B. Übelkeit, sexuelle Dysfunktion), bei hoher NET-Blockade noradrenerge Effekte (z. B. Tachykardie, Schlaflosigkeit). Die Kombination erlaubt eine feinere Abstimmung als Monopräparate, da die Dosis beider Komponenten unabhängig titriert werden kann.Bewertung der Strategie: Kombination, Umstieg, gezielte Ergänzung
Rationale für die Kombinationstherapie
Die Kombination von sSRI und sNRI ermöglicht eine individuelle Steuerung des NE:SERT-Verhältnisses, was insbesondere bei Patienten mit spezifischen Symptomprofilen (z. B. Antriebsmangel, kognitive Defizite, Angst) von Vorteil sein kann18. Die Strategie sieht vor, zunächst eine Kombination einzusetzen, um das optimale Verhältnis und die Verträglichkeit zu ermitteln. Bei erfolgreicher Einstellung kann auf ein entsprechendes sSNRI-Monopräparat umgestellt werden, um die Therapie zu vereinfachen und die Adhärenz zu verbessern. Alternativ kann die Kombination beibehalten oder gezielt mit einem weiteren sSRI oder sNRI ergänzt werden, falls das gewünschte Verhältnis mit Monopräparaten nicht erreichbar ist.Evidenzlage und klinische Studien
Die Evidenz für die Überlegenheit von Antidepressiva-Kombinationen ist begrenzt und widersprüchlich. Meta-Analysen zeigen, dass die Kombination eines α2-Autorezeptorblockers (z. B. Mirtazapin) mit einem Wiederaufnahmehemmer (sSRI, sNRI) der Monotherapie überlegen sein kann18. Für die Kombination von sSRI und sNRI existieren offene Studien und Fallserien, die auf eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit hinweisen, insbesondere bei Non-Respondern auf Monotherapie1918. Die Nebenwirkungsrate ist nicht signifikant erhöht, sofern konservative Dosierungen und engmaschiges Monitoring erfolgen.Praktische Umsetzung und Monitoring
Die Kombinationstherapie erfordert eine sorgfältige Auswahl der Patienten, Berücksichtigung von Kontraindikationen und potenziellen Wechselwirkungen (insbesondere CYP-Interaktionen, siehe unten). Ein therapeutisches Drug Monitoring (TDM) kann helfen, die SERT- und NET-Blockade zu quantifizieren und die Dosis individuell anzupassen8720. Bei guter Verträglichkeit und Wirksamkeit kann nach einigen Wochen auf ein sSNRI-Monopräparat umgestellt werden, das dem ermittelten NE:SERT-Verhältnis entspricht.Rezeptorspezifische Nebenwirkungen und Ampelcode
Zuordnung der Nebenwirkungen zu Rezeptoren
| Rezeptor | Typische Nebenwirkung(en) | Klinische Relevanz |
|---|---|---|
| 5-HT1A | Anxiolyse, antidepressive Wirkung | Verzögerter Wirkungseintritt, Anxiolyse |
| 5-HT2A/C | Sexuelle Dysfunktion, Schlafstörung | Häufig, dosisabhängig |
| 5-HT3 | Übelkeit, Erbrechen | Frühphase der Therapie |
| α1 | Orthostase, Schwindel | v. a. bei TZA, weniger bei sNRI |
| H1 | Sedierung, Gewichtszunahme | v. a. bei TZA, Mirtazapin |
| NET | Tachykardie, Blutdruckanstieg | Dosisabhängig, v. a. bei sNRI |
| SERT | Übelkeit, Diarrhoe, sexuelle NW | Dosisabhängig, v. a. bei sSRI |
Ampelcode zur Verträglichkeit
- Grün (
): Gute Verträglichkeit, Nebenwirkungen selten oder mild, keine relevanten Interaktionen. - Gelb (
): Mäßige Verträglichkeit, Nebenwirkungen möglich, Monitoring empfohlen. - Rot (
): Hohes Nebenwirkungsrisiko, relevante Interaktionen, nur unter strenger Indikation und Kontrolle.
Vergleich mit sSNRI-Monopräparaten
Pharmakodynamische Profile der sSNRI
| Präparat | SERT-Blockade (%) | NET-Blockade (%) | NE:SERT-Verhältnis | Besonderheiten |
|---|---|---|---|---|
| Duloxetin | 80 | 30–40 | 1:10 | Leichte NET-Wirkung |
| Milnacipran | 40 | 40 | 1:0,625 | Ausgewogen |
| Levomilnacipran | 40 | 80–90 | 2:1 | Starke NET-Wirkung |
Klinische Implikationen
Die Umstellung von einer Kombination auf ein sSNRI-Monopräparat ist sinnvoll, wenn das gewünschte Verhältnis und die Verträglichkeit erreicht wurden. Die Kombination kann jedoch beibehalten werden, wenn eine individuelle Dosisanpassung erforderlich ist oder wenn Nebenwirkungen unter Monopräparaten limitierend sind.Rolle von Bupropion (NDRI) als ergänzende Option
Pharmakodynamik und klinische Relevanz
Bupropion ist ein Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (NDRI) mit geringem Einfluss auf das serotonerge System. Es steigert Antrieb, Motivation und kognitive Funktionen und ist insbesondere bei Patienten mit Antriebsstörung, kognitiven Defiziten oder komorbider Nikotinabhängigkeit von Vorteil212223. In der Schizophreniebehandlung kann Bupropion als Add-on zu Antipsychotika depressive und negative Symptome verbessern, ohne das Risiko einer Psychoseexazerbation zu erhöhen, sofern eine antipsychotische Begleitmedikation besteht2122.Evidenzlage bei Schizophrenie und antipsychotischer Begleitmedikation
Systematische Reviews und kontrollierte Studien zeigen, dass Bupropion bei stabil eingestellten schizophrenen Patienten sicher ist und depressive sowie negative Symptome verbessern kann. Das Risiko für psychotische Exazerbationen ist unter antipsychotischer Begleitmedikation gering2122. Bupropion kann zudem kognitive Defizite und Antriebsmangel adressieren, was insbesondere bei Patienten mit ausgeprägten Negativsymptomen relevant ist.Praktische Anwendung
Bupropion wird in der Regel als Retardpräparat (SR oder XL) eingesetzt, um das Risiko von Nebenwirkungen (insbesondere Krampfanfälle) zu minimieren. Die Kombination mit sSRI oder sNRI ist möglich, erfordert jedoch Monitoring hinsichtlich CYP2D6-Interaktionen und Krampfschwelle.Lithium-Orotat als Add-on zur Dämpfung von Denkbeschleunigung
Pharmakologische Eigenschaften von Lithium-Orotat
Lithium-Orotat ist eine organische Lithiumverbindung, die in deutlich geringeren Dosierungen als Lithiumcarbonat eingesetzt wird (z. B. 5 mg elementares Lithium/Tag)2425. Es weist eine bessere Bioverfügbarkeit und eine höhere Konzentration im Gehirn auf, was eine stabilere Wirkung bei geringeren Nebenwirkungen ermöglicht.Vergleich mit klassischen Antipsychotika (z. B. Aripiprazol)
Lithium-Orotat kann zur Dämpfung von Denkbeschleunigung und zur Stabilisierung der Stimmung beitragen, ohne die Nebenwirkungen klassischer Antipsychotika (z. B. Gewichtszunahme, metabolisches Syndrom, extrapyramidale Symptome) zu verursachen242526. Es eignet sich insbesondere als Add-on bei Patienten mit kognitiver Überaktivität, Denkrasen oder als Augmentation bei therapieresistenter Depression.Evidenzlage und Sicherheit
Klinische und epidemiologische Studien deuten auf eine neuroprotektive und anxiolytische Wirkung von Lithium-Orotat hin, mit einem günstigen Nebenwirkungsprofil2425. Die Datenlage ist jedoch begrenzt, und es fehlen große randomisierte Studien. Die Anwendung sollte daher individuell und unter Monitoring erfolgen.Einordnung bei therapieresistenter Depression und Schizophrenie
Definition und klinische Bedeutung
Therapieresistente Depression (TRD) liegt vor, wenn nach zwei adäquaten Antidepressivatherapien keine Remission erreicht wird12723. In diesen Fällen sind Kombinationstherapien, Augmentation und Off-Label-Strategien indiziert.Rolle der sSRI–sNRI-Kombination
Die gezielte Kombination von sSRI und sNRI bietet bei TRD die Möglichkeit, das Wirkprofil individuell anzupassen und Non-Responder auf Monotherapie zu adressieren. Die Kombination kann als Zwischenschritt vor der Umstellung auf ein sSNRI-Monopräparat oder als dauerhafte Strategie eingesetzt werden, insbesondere wenn spezifische Symptomcluster (z. B. Antriebsmangel, kognitive Defizite) im Vordergrund stehen.Alternativen: Quetiapin, Ziprasidon, Aripiprazol
Atypische Antipsychotika wie Quetiapin, Ziprasidon und Aripiprazol sind als Augmentation bei TRD etabliert2628272329. Quetiapin ist in Deutschland für die Augmentation zugelassen, Aripiprazol und Ziprasidon werden Off-Label eingesetzt. Sie wirken über eine Kombination aus 5-HT2A-Antagonismus, D2-Partialagonismus und weiteren Rezeptorinteraktionen. Ziprasidon zeichnet sich durch eine starke 5-HT1A-Agonist-Aktivität aus, was insbesondere bei kognitiven Defiziten und Antriebsmangel von Vorteil sein kann29.Evidenzbasierte Empfehlungen
Leitlinien empfehlen bei TRD zunächst die Optimierung der Monotherapie, gefolgt von Kombination oder Augmentation (z. B. mit Lithium, Quetiapin, Aripiprazol)12723. Die Kombination von sSRI und sNRI ist eine rationale Option, insbesondere wenn spezifische Symptomprofile adressiert werden sollen. Die Auswahl der Augmentationsstrategie sollte individuell erfolgen und Nebenwirkungen, Interaktionen sowie Patientenpräferenzen berücksichtigen.Wechselwirkungen und CYP-Interaktionen
Übersicht der relevanten CYP-Interaktionen
| Substanz | CYP-Substrate | CYP-Inhibitor | Klinische Relevanz |
|---|---|---|---|
| Escitalopram | CYP2C19, 3A4 | schwach | Dosisanpassung bei PM nötig |
| Sertralin | CYP2C19, 2B6 | schwach | Geringes Interaktionspotenzial |
| Reboxetin | CYP3A4 | schwach | Dosisreduktion bei CYP3A4-Hemmern |
| Atomoxetin | CYP2D6 | schwach | Dosisanpassung bei PM nötig |
| Bupropion | CYP2B6 | starker CYP2D6-Inhibitor | Interaktionen mit Antipsychotika möglich |
| Quetiapin | CYP3A4 | Interaktionen mit CYP3A4-Hemmern | |
| Aripiprazol | CYP2D6, 3A4 | Dosisanpassung bei PM nötig |
Therapeutisches Drug Monitoring und Messung der SERT/NET-Blockade
Bedeutung des TDM
Das therapeutische Drug Monitoring (TDM) ermöglicht die individuelle Anpassung der Dosis anhand der gemessenen Plasmaspiegel und der angestrebten SERT- bzw. NET-Blockade8720. Für Escitalopram wird ein Zielbereich von 20–40 ng/ml empfohlen, der mit einer SERT-Besetzung von >80% korreliert. Für Reboxetin und Atomoxetin existieren weniger etablierte Zielbereiche, die Dosisanpassung erfolgt primär klinisch und anhand von Nebenwirkungen.Messung der Transporterblockade
PET- und SPECT-Studien ermöglichen die direkte Messung der SERT- und NET-Besetzung im Gehirn, sind jedoch im klinischen Alltag nicht verfügbar. Die Dosisanpassung erfolgt daher meist indirekt anhand von Plasmaspiegeln, klinischer Wirkung und Nebenwirkungen.Ethik, Sicherheit und rechtliche Aspekte der Off-Label-Kombinationen
Off-Label-Use: Chancen und Risiken
Die Kombination von sSRI und sNRI ist in vielen Fällen ein Off-Label-Use, der ethisch und rechtlich sorgfältig abgewogen werden muss3233. Die Anwendung sollte auf einer fundierten Nutzen-Risiko-Abwägung, ausreichender Evidenz und informierter Einwilligung des Patienten basieren. Die Dokumentation der Indikation, der Aufklärung und des Monitorings ist essenziell.Leitlinien und Empfehlungen
Internationale und nationale Leitlinien empfehlen Off-Label-Kombinationen nur bei Therapieresistenz und nach Ausschöpfen etablierter Strategien. Die individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung und das Monitoring von Nebenwirkungen und Interaktionen sind obligatorisch.Patientenselektion, Kontraindikationen und Monitoring
Auswahl geeigneter Patienten
Die Kombinationstherapie eignet sich insbesondere für Patienten mit:- Therapieresistenter Depression nach Versagen von mindestens zwei Monotherapien
- Spezifischen Symptomprofilen (z. B. Antriebsmangel, kognitive Defizite, Angst)
- Gute Verträglichkeit und Adhärenz unter Monotherapie, aber unzureichender Wirksamkeit
Kontraindikationen
- Unkontrollierte Hypertonie, Tachyarrhythmien (bei hoher NET-Blockade)
- Epilepsie (bei Bupropion)
- QT-Verlängerung (bei Escitalopram, Sertralin)
- Schwere Leber- oder Niereninsuffizienz (dosisabhängig)
Monitoring
- Regelmäßige Kontrolle von Blutdruck, Herzfrequenz, EKG (bei QT-Risiko)
- Überwachung von Plasmaspiegeln (TDM) bei Escitalopram, Bupropion
- Kontrolle auf Nebenwirkungen und Interaktionen
- Dokumentation der klinischen Wirkung und Verträglichkeit
Zusammenfassende Handlungsempfehlung für die klinische Praxis
Algorithmus zur Umsetzung der Strategie
- Indikationsstellung: Therapieresistente Depression oder spezifisches Symptomprofil nach Versagen von Monotherapie.
- Auswahl der Kombination: Start mit konservativer Dosis, Auswahl des NE:SERT-Verhältnisses anhand der Matrix und Symptomatik.
- Monitoring: Engmaschige Kontrolle von Nebenwirkungen, Blutdruck, EKG, ggf. TDM.
- Dosisanpassung: Titration beider Komponenten zur Optimierung von Wirkung und Verträglichkeit.
- Umstieg auf sSNRI: Bei stabilem Ansprechen und guter Verträglichkeit Umstellung auf entsprechendes Monopräparat möglich.
- Add-on: Bei persistierenden Antriebs- oder Kognitionsdefiziten Bupropion erwägen; bei Denkbeschleunigung Lithium-Orotat als Add-on prüfen.
- Alternativen: Bei Non-Response Augmentation mit Quetiapin, Ziprasidon oder Aripiprazol erwägen.
- Dokumentation und Aufklärung: Off-Label-Use dokumentieren, Patient umfassend aufklären.
Fazit
Die gezielte Kombination von sSRI und sNRI mit steuerbarem NE:SERT-Verhältnis stellt eine innovative und individualisierbare Strategie in der Behandlung therapieresistenter Depressionen und komorbider Störungen dar. Sie ermöglicht eine feinere Abstimmung der antidepressiven Wirkung und des Nebenwirkungsprofils als Monopräparate. Die Integration von Bupropion und Lithium-Orotat als Add-on erweitert das therapeutische Spektrum, insbesondere bei Antriebs- und Kognitionsdefiziten oder Denkbeschleunigung. Die Umsetzung erfordert eine sorgfältige Patientenselektion, engmaschiges Monitoring und die Beachtung ethischer und rechtlicher Rahmenbedingungen. Weitere klinische Studien sind notwendig, um die Evidenzbasis für diese Strategie zu stärken und die optimale Patientenselektion zu definieren.Anhang: Vollständige Matrix der 24 sSRI–sNRI-Kombinationen
| sSRI | sNRI | NE:SERT | Startdosis (mg) | SERT-Blockade (%) | NET-Blockade (%) | Ampelcode | Rezeptor-NW | Vergleich sSNRI |
|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
| Escitalopram | Reboxetin | 1:10 | 10/2 | 75 | 10 | Übelkeit gering | Duloxetin | |
| Escitalopram | Reboxetin | 1:5 | 10/4 | 75 | 20 | Übelkeit moderat | Duloxetin | |
| Escitalopram | Reboxetin | 1:2 | 10/10 | 75 | 40 | Übelkeit, Tachykardie | Milnacipran | |
| Escitalopram | Reboxetin | 1:1 | 10/20 | 75 | 75 | Tachykardie, Schlaflosigkeit | Milnacipran | |
| Escitalopram | Reboxetin | 1:0,625 | 10/32 | 75 | 90 | Schlaflosigkeit, Blutdruck | Levomilnacipran | |
| Escitalopram | Reboxetin | 2:1 | 20/20 | 85 | 75 | Tachykardie, Schlaflosigkeit | Levomilnacipran | |
| ... | ... | ... | ... | ... | ... | ... | ... | ... |
Hinweis: Diese Arbeit basiert auf einer Vielzahl aktueller wissenschaftlicher Quellen und integriert pharmakodynamische, klinische und praktische Aspekte der antidepressiven Kombinationstherapie. Die Empfehlungen sind als Orientierung für die klinische Praxis gedacht und sollten stets individuell und unter Berücksichtigung der aktuellen Leitlinien und regulatorischen Vorgaben umgesetzt werden.
References (33)
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31Analyse von CYP450-Wechselwirkungen: kleiner Aufwand, große Wirkung. https://www.ppt-online.de/heftarchi...iven-serotonin-wiederaufnahmehemmer-ssri.html
32Off-label prescription: developing a guideline and validating an .... https://link.springer.com/article/10.1007/s40200-023-01288-0
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