Mein Psychotherapeut riet mir, mit der Diagnose offen umzugehen, als ich ihn fragte, ob es sinnvoll wäre, bei einem Vorstellungsgespräch für eine ehrenamtliche Tätigkeit den Chef und gegebenenfalls die Angestellten und anderen Ehrenamtlern über meine psychische Erkrankung zu informieren. Der Grund seines Rates ist, dass es besser wäre, wenn die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, egal ob nur als Ehrenamtler, über mein Krankheitsbild Bescheid wissen, um bei akuten Phasen, die eventuellen auftreten könnten, entsprechend zu reagieren. Das kann zum Beispiel ein Anruf beim Notarzt sein. Meine Erfahrung war, dass es der Chef gut auffasste, Verständnis zeigte und sich über meinen offenen Umgang mit meinem schweren psychischen Leiden bedankte. Ich denke, es liegt vielleicht auch daran, dass er dadurch eine billige Arbeitskraft gefunden hat, die für sehr wenig Lohn die unerledigten oder zum Teil kompletten Aufgaben bzw. Arbeiten der anderen Mitarbeiter übernimmt. Deswegen waren einige Angestellte nicht gerade begeistert von mir. Sie sahen schließlich einen jungen Mann, der sich vernünftig artikulieren konnte, optisch noch fit aussieht und trotzdem bereits Rente kassiert. Aus ihrer Perspektive sieht es nach einem schönen Leben aus, während sie für wenig Lohn/Gehalt in meiner Region arbeiten müssen und ich als billige Arbeitskraft ihnen vielleicht noch die Jobs wegnehme. Es kommt eben nicht bei jeden Menschen der arbeitenden Bevölkerung gut an. Der Neid in unserer Gesellschaft ist teilweise sehr groß. Viele Arbeitnehmer reißen sich schlussendlich im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch auf der Arbeit auf und trotzdem kommen sie kaum über die Runden und sind gezwungen, mehrere Jobs auszuüben. Dann sehen sie einen jungen Mann wie mich, der bereits Erwerbsminderungsrente bezieht und aus ihrem Blickwinkel durch ein paar Nebenverdienste mit wenig Arbeit ein schönes Leben führt.
Ich habe es auch ein paar anderen fremden Leuten in meiner Region erzählt, die ich beim Spazierengehen oder Fahrradfahren begegnete und mich fragten, warum ich nicht als junger Mann auf der Arbeit bin. Daraufhin erwiderte ich, dass mir aus gesundheitlichen Gründen eine Erwerbsminderungsrente zugesprochen wurde und ich demzufolge Frührentner bin. Einige waren dann neugierig und wollten wissen, was ich denn für gesundheitliche Einschränkungen habe, bzw. an welcher Krankheit ich denn leide. Da ich eine ehrliche Haut vom Typ Mensch bin und demzufolge sehr offen mit meiner Diagnose umgehe, berichtete ich ihnen über mein Krankheitsbild. Manche neugierige Passanten wussten erst gar nicht, was Schizophrenie ist. Daraufhin erklärte ich es ihnen und sie verstanden es, warum ich nicht mehr erwerbsfähig bin. Es gab natürlich ebenso Menschen, die sich sofort von mir distanzierten und/oder mich als faulen Schmarotzer abstempelten.
Als ich diesen Vorfall mit meinem Psychotherapeuten besprach, meinte er knallhart, dass ein Teil der Menschen mit diesem Krankheitsbild nichts anfangen können. Den Grund sieht er aus seiner Sicht in der fehlenden Bildung dieser Personengruppe in Bezug auf psychische Erkrankungen und deren Unwissenheit, dass es überhaupt sowas gibt. Dementsprechend wird den Erkrankten oft Faulheit unterstellt, der frühzeitig in Rente gehen will, um ein schönes, ruhiges und stressfreies Leben zu führen. Außerdem werden in den Medien größtenteils Hiobsbotschaften im Zusammenhang mit dieser Erkrankung berichtet, sodass Schizophrenie weiterhin stark stigmatisiert ist. Den gesunden Menschen, denen die Fachkenntnisse in diesem Bereich fehlen, wird dadurch ein komplett falsches Bild von an Schizophrenie erkrankten Personen vermittelt, was zu Abneigung und Angst führt. Es werden hauptsächlich Schreckensnachrichten über verschiedenste Kanäle, wie z. B. soziale Medien oder traditionelle Medien, übermittelt, dass beispielsweise einer an paranoider Schizophrenie erkrankter Mensch seine Eltern umbrachte.
Ansonsten erzählte ich es meinen Eltern und einigen Freunden, dass ich an Schizophrenie leide, und erklärte ihnen, was sich genau dahinter verbirgt. Leider wandten sich meine Freunde von mir ab, sodass ich lediglich Kontakt zu meinen Eltern habe und zu Leidensgenossen, die ich in der Psychiatrie, Tagesklinik und beim Sozialverband VdK kennenlernte. Meine drei Beziehungen respektive Lebensgefährtinnen, denen ich mein psychischen Leiden offenbarte, sind nach einer Weile in die Brüche gegangen, bzw. haben sich die Frauen nach relativ kurzer Zeit von mir getrennt. Sie kamen mit meiner Schizophrenie und der einhergehenden starken Negativsymptomatik nicht zurecht. Sie sahen einen faulen „Sack“, der kein Bock mehr auf irgendwas hatte, der nicht mehr in der Lage war, sich um einfachste Alltagsdinge zu kümmern und der einfach vor sich dahinvegetierte. Daneben wurde ich als Simulant, der kein Bock auf Arbeit hat und lieber Erwerbsminderungsrente kassiert, um ein unbeschwertes, ruhiges und stressfreies Leben zu führen, von zwei ehemaligen Lebensgefährtinnen bezeichnet.
Mein Psychotherapeut riet mir weiterhin, dass ich mich unter Gleichgesinnten aufhalten soll, wie z. B. bei den Angestellten, Ehrenamtlern und Mitgliedern des Sozialverbandes VdK in meiner Region, die gleichfalls mit schweren psychischen Erkrankungen kämpfen und demnach Verständnis für solche erkrankten Personengruppen mitbringen.
Fazit meiner praktischen Erfahrung mit dem offenen Umgang der Erkrankung bei anderen Mitmenschen ist zwiegespalten. Einige reagierten verständnisvoll, andere jedoch sehr abfällig, distanziert, ängstlich und zum Teil neidisch in Verbindung mit meiner Frühverrentung durch die Schizophrenie. Persönlich werde ich aufgrund meiner Erlebnisse nicht mehr über meine Diagnose mit fremden Menschen sprechen. Die Stigmatisierung schizophrener Menschen und die mir als betroffene Person entgegengebrachte Abneigung und der Neid meiner Frühverentung war zu groß in meiner Region. Es verstehen nicht alle Einwohner, dass ich als so junger Mann bereits Erwerbsminderungsrente beziehe und aus ihrem Blickwinkel mir ein schönes Leben damit gestalte, während sie früh für viel Arbeit und meist geringem Lohn aufstehen müssen, um den Lebensunterhalt ihrer Familie und deren Wünsche und Hobbys zu finanzieren. Leider sehen diese Menschen einem nicht die psychische Erkrankung an und denken, dass er lediglich ein Faultier ist und als vorzeitiger Rentner in Saus und Braus mit seiner von zum Teil steuerfinanzierten Erwerbsminderungsrente lebt. Mein behandelnder Facharzt und Psychotherapeut meinten diesbezüglich, dass ich mich nicht für meine schwere Diagnose und der darausfolgenden frühzeitigen Berentung schämen und rechtfertigen muss. Es ist eine anerkannte sehr schwerwiegende psychische Krankheit.